Sechs Stunden
Es ist Rüsttag zum großen Paschafest des Jahres 30. Um 9 Uhr morgens schlugen die römischen Soldaten Jesus ans Kreuz. Um 15 Uhr am Nachmittag starb er. Dazwischen liegen sechs Stunden. Was ist in diesen sechs Stunden geschehen? Was ging in Jesus vor, während er diese Zeit zwischen Leben und Tod hing? Was bewegte seine Seele? Und was musste er mitansehen und erleben?
Der Gekreuzigte musste mitansehen und erleben…
… wie unter dem Kreuz das Hinrichtungskommando um seine Kleider würfelte.
… das Kommen und Gehen in die Stadt und aus der Stadt heraus und das Gaffen der Leute und Hohenpriester von der Stadtmauer aus.
… dass er in seiner körperlichen Verfassung zu keinem Widerspruch mehr fähig war.
… wie Verhöhnung geschieht, weil die Menschen seine Kraftlosigkeit spüren und von ihm nichts mehr zu fürchten zu haben.
… wie seine Verkündigung in Frage gestellt wird: „Andern hat er geholfen!“
Angesichts des Kreuzes werden in diesen letzten sechs Lebensstunden Jesu Grundstörungen aufgedeckt, die im Menschen sein können: Die Störung des Dialoges, des Gesprächs der Menschen miteinander und mit Gott. In Jesus soll die Stimme und der Anspruch Gottes an den Menschen mundtot gemacht werden.
In Jesus wird die ausgestreckte Hand Gottes vom Menschen zurückgewiesen. In seiner Leidenschaft für den Menschen hat Jesus bis zuletzt darum gekämpft den Menschen in die Beziehung zu Gott zu führen. Denn aus dieser Beziehung würde auch das Leben der Menschen miteinander neu und menschlicher.
Wir treten in die Karwoche ein mit Jubel und einem ersten Blick auf das Kreuz Jesu, an diesem Palmsonntag. Ich wünsche Ihnen Kraft und Geduld den Weg Jesu durch diese kommenden Tage mitgehen zu können, bis zum Karfreitag, bevor die Woche endet, wie sie begonnen hat: Mit dem großen Jubel am Ostersonntag!
Ihr Pfarrer Tobias Dirksmeier