Näher als wir vermuten
Wie können wir uns das Ereignis der „Himmelfahrt Christi“ vorstellen? Ist Jesus, der Raumfahrt entlehnt, tatsächlich von der Erde weggegangen, nach oben in den Himmel, irgendwo hin in das unendliche Universum? Oder, wie ich es einmal in der „Volxbibel“ las: „er fuhr wie in einem Lift nach oben und verschwand in einer Wolke“. Aber dann ist die Frage doch unumgänglich, wie unter solcher Voraussetzung der Satz Jesu zu verstehen ist, dass „er alle Tage bei uns ist“.
Handelt es sich hierbei nur um ein Missverständnis?
Seit der Auferstehung sind vierzig Tage – in der biblischen Sprache ein längerer Zeitraum – vergangen, in denen Jesus seinen Freunden die Einsicht vermitteln wollte, dass mit der Auferstehung eine neue Form von Anwesenheit gegeben ist. Sie können den Auferstandenen erkennen, weil er sich ihnen zu erkennen gibt, aber jede dieser Begegnungen schließt damit ab, dass die bleibende Anwesenheit Jesu von einem bestimmten Augenblick an nicht mehr mit den leiblichen Augen, sondern mit den Augen des Herzens wahrgenommen werden kann.
Natürlich ist er weiter „da”, also genauso anwesend wie vorher, nur reichen die leiblichen Augen nicht mehr aus. Hier beginnt der Glaube, der auch wahrnimmt, was man nicht sehen kann. Diese Veränderung unserer Wahrnehmung, nicht aber seiner Anwesenheit, nennen wir „Himmelfahrt”. Wie hat es der kleine Prinz aus dem wunderschönen Buch von Antoine de Saint-Exupéry ausgedrückt: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“
Die Nahtstellen, an denen wir Gott begegnen, sind immer schwer zu beschreiben. Das Fest Christi Himmelfahrt will eine wesentliche Einsicht vermitteln: Jesus ist viel mehr bei uns als wir ahnen, viel näher als wir vermuten. Denn „Himmel“ kann doch auch überall dort sein, wo Menschen sich der Wirklichkeit Gottes öffnen.
Dies wünsche ich Ihnen zu jeder Zeit und immer wieder aufs Neue,
Ihr Gemeindereferent Benedikt Fritz