Wider der Halsstarrigkeit und der inneren Enge
Jesus verkündigt die Botschaft Gottes auf eine Art und Weise, die Glaubenspraktiken und Glaubenshaltungen in Frage stellen können. Schnell hören manche dann in seinen Worten deutliche Kritik, sie fühlen sich in Frage gestellt, sogar angegriffen. Darum müssen sie diesen Jesus „erden“. Wir hören sie fragen: „Was bildet sich dieser Junge, „der Sohn Marias“, ein? Wieso wohl sollte er Gott besser verstehen können als wir selbst?“
Eine solche Reaktion ist uns sicher nicht fremd. Wir fühlen uns persönlich angegriffen und beschäftigen uns darum gar nicht erst mit dem, was jemand sagt. Es geht ums Prinzip. Wem steht es zu mir etwas zu sagen und wem nicht. Wer möchte schon ungefragt belehrt werden? Darum kann sie das Wahre und Gute an Jesu Worten auch die damaligen Zuhörer/innen nicht erreichen. Es passiert sogar das Gegenteil: sie stoßen ihn vom seinem vermeintlichen „Thron“. Er soll doch von seinem „hohen Ross“ herunterkommen und sich schon gar nicht als schlauer oder weiser empfinden.
Uns aber, die wir in diesem Sinne das Evangelium mit etwas mehr Abstand hören, für uns liegt eine Chance darin etwas über uns selbst zu lernen. Über unsere begrenzten Wahrnehmungsmöglichkeiten oder Sichtweisen im Blick auf die Welt und anderen Menschen gegenüber. Darüber, dass wir immer wieder unseren Blick weiten und erneuern müssen. Wir können lernen, dass wir bereit sein sollen uns von anderen in Frage stellen zu lassen. Wir haben die Chance andere Sichtweisen und andere Wahrnehmungen anzuhören. Niemand von uns besitzt schließlich den vollkommenen Durchblick und die alleinige Wahrheit. Nur wenn wir unsere eigene Begrenztheit nicht sehen, dann stehen wir immer in der Gefahr uns nicht mehr weiterentwickeln zu können. Wir drohen starr oder gar starrsinnig, innerlich unbeweglich und eng oder aggressiv und abwehrend oder allen anderen Meinungen gegenüber abwertend zu werden. Dem will sich Jesus, der Gottes zugewandte Liebe und Barmherzigkeit verkündet, entgegenwirken. Er will die Menschen davor bewahren und davon befreien. Er will jeden von uns zur Freiheit Gottes führen. Denn nur wer sich in diese Freiheit der Liebe Gottes führen lässt, kann auch andere frei sein lassen, mit Mut und Kreativität Lösungen finden. Und das nicht nur für das eigene Leben, sondern vor allem für ein gutes Zusammenleben aller miteinander.
Gehen wir in die Begegnung mit Jesus, lassen wir uns von ihm hinterfragen, finden wir durch ihn zur Freiheit und Liebe, die zusammenführt und zusammenhält – gegen alle Spaltungstendenzen und Nabelschautendenzen unserer Zeit.
Ihr Pfarrer Tobias Dirksmeier