Sehen – wer sind wir?
Unsere Bußgottesdienste in dieser Fastenzeit befassen sich mit unseren Sinnen, mit dem Mund, dem Ohr und dem Auge. Es geht darum, über die Zusammenhänge im Leben nachzudenken, um die Frage, was gibt meinem Leben eigentlich Sinn.
Hierzu passt, finde ich, auch sehr gut die Aussage des Vinzenz v. Paul: „Es ist wahr, dass die Krankheit uns viel besser als die Gesundheit sehen lässt, wer wir sind.“ Klar, erstrebenswert ist nicht die Krankheit, erstrebenswert ist es gesund zu sein und somit steht diese Aussage im krassen Gegensatz zum allgemein üblichen. Je jugendlicher und kraftstrotzender ein Mensch ist, umso lebendiger ist er / ist sie doch! Dabei vergessen wir, dass dies jedoch nur die eine Seite der Medaille ist. Wer nur die eine Seite sieht, wer nur das Licht, wer nur Gesundheit kennt (sowohl körperlich wie seelisch) und nicht auch die Schattenseiten des Lebens, der oder die wird unfähig sein, die ganze Bedeutung, die ganze Kraft und Notwendigkeit des Lichtes zu erfassen.

Ich bin mir absolut sicher, dass der hl. Vinzenz, der von 1581 bis 1660 in Frankreich lebte, keinesfalls die Krankheit preisen oder ihre doch oft auch bedrückende Wirklichkeit verharmloste. „Liebe sei Tat“ lautet sein Leitsatz. Anders übersetzt könnte man ja auch sagen: Liebe gibt der Welt ihr Licht! Und wie wichtig dieses Licht ist, erkannte er besonders an den vielen Menschen, die seelisch erkrankt waren und somit im Dunkel gefangen waren.
Der heute verbreitete Gedanke, eine Krankheit bringe überhaupt nichts Gutes mit sich und sei deshalb um jeden Preis zu vermeiden, führt genauso in die Unwahrheit. Klar, jegliche Vorsorge gegen z.B. einen möglichen Herzinfarkt, ist dringend geboten, aber die Sorge um den Zusammenbruch unseres Herzen sollten wir auch in anderer Weise vorbeugen. Vielfach sind wir doch erfüllt mit innerlichen Sorgen um das eigene Ich und zahlreiche „Kleinigkeiten“, die sich in uns zu gewaltigen Belastungen aufblähen, weil es unser Herz nicht schafft, diese Sorgen einzuordnen und zu verarbeiten. Die Folge kann dann auch ein krankes Herz sein. Die Österliche Bußzeit hat doch nur dann Sinn, wenn auch unser Herz neu werden kann. In diesem Sinne ist es hilfreich, zu SEHEN, wer wir eigentlich sind. Eine solche tiefe Erkenntnis kommt aber doch oft erst in den Zerreißproben unseres Lebens zustande. Diese Zerreisproben wünsche ich niemandem, aber was ich Ihnen wünsche: das Erkennen, das Sehen und ein gesundes, waches Herz.
Ihr Gemeindereferent Benedikt Fritz